Reise in den Nordwesten Argentiniens Februar-März
2004
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Donnnerstag, 5. Februar 2004
Endlich, endlich geh es los! halb zwei am
Nachmittag, nach dem Volltanken (80 Ltr à 454 ps + 10 Ltr Reservekanister) an
der Ausfallstraße von Santiago in Richtung Panamericana (R 5). Erst in Coquimbo, nach 473 km und 69 Ltr. Verbrauch wird nochmals nachgetankt. |
Wir sind noch ziemlich nervös, vieles war noch zu erledigen;
zuletzt die eben gekommenen Wasser- und Stromrechnungen zu bezahlen für unsere
neue Wohnung in Vitacura; sonst würde der Strom abgestellt – und die
Kühlschränke sind doch gefüllt. Am 20. Januar erst waren wir umgezogen und
mussten uns zunächst einrichten.
Eigentlich hatten wir nicht beabsichtigt, nach unserer verspäteten Ankunft am 1.
Januar erst, in Chile, so schnell unser Häuschen in Peñaflor aufzugeben, aber –
wenn schon, denn schon – machten wir kurzen Prozess, suchten zwei Wochen in den
Inseraten des „Mercurio“, bis wir – oh Wunder – im Barrio Alto, in Vitacura ein
wunderschönes, halb möbliertes Apartment fanden und zu annehmbaren Preis.. - mit
schöner Aussicht auf die Berge und viel Grün drumherum und wo Kinder spielen.
Dann musste, nach dem Umzug, das Häuschen zur Übergabe – nach Sigrids
Anweisungen – auf Hochglanz gebracht werden. - die Mietkaution bekomme ich erst
– hoffentlich überhaupt! - , wenn alle Rechnungen bezahlt sind und nach einem
Monat. - Und schon sind wir wieder Bürger von Santiago, in einem „dezenten“
Wohnviertel, wohin man, ohne sich genieren zu müssen, vornehmeren Besuch
einladen kann – so jedenfalls nach der Meinung einiger Freunde, die ebenfalls da
wohnen - Uns gefällt unser neuen
Heim jedenfalls so gut, dass wir gar keine Eile hatten, loszufahren.
Eigentlich wollten wir zu unseren
Freunden nach Bolivien, wahrscheinlich müssen wir - auch nach Rücksprache mit
unseren Bolivianern - darauf verzichten wegen des aufgeputschten Mobs auf
bolivianischen Straßen aufgrund der Streitigkeiten mit Chile wegen des von
Bolivien geforderten „Zugangs zum Meer“ („Viva Bolivia, muera Chile, mueran los
chilenos“). Unser Auto, mit chilenischen Kennzeichen, sollte nicht zerkratzt,
mit Steinen beworfen, die Reifen zerstochen werden. Auch mit Peru steht im
Moment nicht alles zum besten, - gerade hat man einen vermutlich peruanischen
illegalen Grenzgänger am Grenzübergang erschossen, und es hagelt Proteste –
darum haben wir uns anders entschlossen: für eine Reise in das achtgrößte
Land der Erde, genauer- nach Nordwest-Argentinien.
Sigrid hat da jede Menge höchst interessanter Naturparks, alte koloniale
Kirchen und anderes ausgemacht, das wir besichtigen wollen; im Zickzack über
die Anden, einmal auf chilenischer Seite, dann wieder auf argentinischem
Gebiet.
Nun sind wir also auf der
Panamericana, nach 200 km, in Los Vilos, nach einer Kaffepause ist
„Steuerübergabe“ bis La Serena. Das Wetter ist typisch für die Jahreszeit:
überm Festland klarer Sonnenhimmel, in Meeresnähe Dunst. Wir halten uns diesmal
nicht länger in dem wunderhübschen Städtchen La Serena auf, eine Perle
von Kolonialstadt, sondern biegen gleich nach Osten in das wegen seiner Früchte
und besonders wegen seiner Trauben berühmte Valle de Elqui ab, um nach
ca. 55 km den Staudamm El Molle zu besichtigen. Dann nochmals 20 km bis nach Vicuña,
dem Zentrum des Elqui-Tales. Die Plaza ist voll von Touristen, viele wollen am
Abend zu der Sternwarte Mamalluca – der Blick ins All ist ein wirklich
über-irdisches Erlebnis, ich war schon dreimal oben – In diesen Bergen sind
wegen der Trockenheit und dem damit garantierten guten Beobachtungswetter die
größten Sternwarten der Welt, die ESA mit Sitz in Deutschland, ist in La
Silla auch mit dabei. Wir fahren das Tal weiter hinauf, biegen nach Pisco
Elqui ab und erreichen über gut ausgebaute Bergwege, an Weinbergen vorbei,
unsere vorbestelle Cabaña in der Hostería „Los Dátiles“
Freitag, 6. Februar 2004
Die Nacht wurde dann doch kühl,
und ich brauchte schließlich gegen Morgen eine Bettdecke. Tagsüber ist es
angenehm warm, man sagt, das ganze Jahr über. Eine friedliche Stille liegt über
dem Tal, Die Hostería liegt am Hang, gegenüber die fast glatte Bergwand strahlt
Ruhe aus, die Abendsonne färbt sie leuchtend rot und gegen neun am Abend
kriecht der Schatten langsam zur Spitze hinauf. Am Morgen gegen neun kommt die
Sonne wieder über die Berge und man sucht schon bald den Schatten. Das
Frühstück auf der Veranda ist kärglich, aber das Ambiente ist himmlisch,
Bougainville und rötliche und blaue Blumen umranken die Häuschen, einige Pferde
grasen friedlich neben der Cabaña, das Wasser im Schwimmbad ist sicher noch
recht kühl. Wie schade, dass wir unserem letzten Besuch aus Deutschland, der
Nachbarin und Freundin, Frau Hewing, dieses Valle de Elqui nicht zeigen
konnten, sondern aus der Atacama kommend, sofort nach Santiago weiter mussten!
Heute lassen wir es gemütlich angehen, erst am Nachmittag fahren wir die 40 km
zurück nach Vicuna, u.a. weil wir aus der Apotheke ein Mittel gegen die
Höhenkrankheit brauchen, und für alle Fälle eine Wassermelone
dabei haben wollen. Auch, um noch einmal voll zutanken, - auch beide
Reservekanister - um für die Überfahrt
über den Pass Agua Negra nach Argentinien morgen genug Benzin zu haben.
Samstag, 7. Februar 2004
Wir brechen auf zur Grenze; der
wunderschöne Morgen und die gut asphaltierte Straße verlocken zum gemütlichen
Fahren; nach knapp 100 km ab Pisco Elqui endet der Asphalt, aber auch die
restlichen 20 km Erdweg sind gut. Die Grenzabfertigung ist von Vicuña aus 100
km entfernt und 130 km vor der wirklichen Grenze mit Argentinien. Bei der
Abfertigung vermisste Sigrid ihre Brille, sie musste ihr, oben auf der Tasche
liegend, herausgefallen sein. Nach vergeblichen Versuchen, das Hotel anzurufen,
immer besetzt – wohl Internet –, entschlossen wir uns zurückzufahren und sie zu
holen. Tatsächlich war sie gefunden und verwahrt worden. Dann nochmals nach
Vicuña zurück zum Tanken und ein erneuter Anlauf. Diesmal mehr zügig als
gemütlich, denn wir fürchteten, die argentinische Grenzstation könnte vor
unserer Ankunft dort evtl. schon geschlossen sein. Die Zöllner beruhigten uns,
sie würden uns den Argentiniern anmelden. Gegen halb vier brachen wir auf ins
Niemandland. Die Schotterstraße blieb auch weiterhin ordentlich, die Landschaft
bis jetzt schön, aber unspektakulär.
Doch hinter der Grenzstation tat sich plötzlich eine wunderschöne
Landschaft auf: Berge in leuchtenden Farben, eine riesige Lagune in fast
unwirklichem Blau. Und dann vor uns ein gewaltiges Bergmassiv, an dem wir uns,
in riesigen, steilen Serpentinen hochschrauben mussten.
An der tatsächlichen Grenze in
4775 m ü.M., dem Pass Agua Negra – die Grenze zwischen Chile und
Argentinien ist immer der höchste Punkt in den Kordilleren - erwarteten uns
chilenische Carabineros, die uns zur Vorsicht mahnten, eine Gruppe von
Radrennfahrern mit ihren Begleitfahrzeugen würde uns schon bald begegnen. Auf
der Abfahrt in weiten Serpentinen kamen uns tatsächlich Fahrzeuge entgegen. An
einer engen Stelle, wo es kaum ein Ausweichen gab, tauchte hinter einem Auto
plötzlich ein – ausgemergelter Läufer auf, der, weil er an den beiden
Fahrzeugen nicht vorbeikam, auf der Stelle lief, dann mit Klopfen gegen das
Auto dieses zum Weiterfahren bewegen konnte. Später sahen wir noch einen
weiteren Sportler – gehen, nicht laufen, mit der Wasserflasche in der Hand,
dann noch zwei, drei weitere, gehen oder stolpern, dazwischen immer wieder
Begleitfahrzeuge und einen Ambulanzwagen. Jede Menge Wichtigtuer für wenige
Sportler. Das war’s. Die chilenische Grenzpolizei war falsch informiert worden.
In der Höhe, auf chilenischer
Seite und jetzt noch häufiger, kamen wir an vielen kleinen Schneefeldern vorbei
mit merkwürdigen Formationen. Die ursprünglich mehrere Meter hohe Schneedecke
war heruntergeschmolzen und ließ viele kleine, sehr spitze Bergelchen übrig,
die wie Zacken nebeneinander standen. Man nennt diese Areale „Büßerschnee“,
weil die Zacken, wie büßende Mönche in Kutten nebeneinander, aufgereiht
dastehen. Die Bergmassive, grünlich, rosa, gelb oder grau gefärbt, wurden
langsam wieder höher, - je tiefer wir
kamen. Dann wurden die Täler breiter, in einer Stunde würden wir wohl die
argentinische Grenze erreichen. Auf einmal gab so etwas wie Asphalt, mit tiefen
Schlaglöchern. Plötzlich gab es ein merkwürdiges Geräusch, dann ein Holpern,
halt!, aussteigen, eine jähe Überraschung!: der linke Hinterradreifen war auf
der Seite völlig zerfetzt und aufgeschlitzt, Gummibrösel lagen auf den letzten
100- 200 m. Was war das? So was hatte ich noch nie gesehen. Nach dem ersten
Schreck wechselte ich den Reifen. Wir beeilten uns mit dem Weiterfahren,
langsam wurde es Abend. Nach einigen Kilometern wieder ein merkwürdige
Geräusch, halt!, der zweite Reifen, diesmal hinten rechts, war fast platt.
Damit war die Weiterfahrt für heute wohl zu Ende! Zwar hatte ich noch einen zweiten Ersatzreifen, aber ohne Felgen.
In einiger Entfernung sah Sigrid Häuser. Wenn das nicht schon die Grenze war!
Langsam, auf dem Felgen fahrend, kamen wir näher. Tatsächlich es war ein
Militärposten. Hilfsbereit, aber hilflos überlegten die argentinischen Grenzer,
wie ich wohl zum nächsten Grenzort Las Flores in 54 km kommen könnte und mit dem geflickten Rad wieder zurück.
Da tauchte plötzlich hinter uns der Landrover auf mit drei Argentinierinnen,
den wir schon zu den Begleitfahrzeugen der Läufer gerechnet hatten. Sie wollten
uns nicht nur mit dem kaputtem Reifen mitnehmen, sondern später sogar wieder
zum Auto zurückbringen. Das war echte Hilfe, selbst wenn ich heute den Reifen
nicht mehr flicken lassen konnte, könnten wir in Las Flores wenigstens
schon mal eine Unterkunft besorgen, besonders, da es in den Bergen nachts sehr
kalt wird, trotz Schlafsäcken, etc. Da taucht plötzlich noch ein weiterer Wagen
mit drei Grenzgendarmen auf. Sie untersuchten unsere Panne, stellte fest, dass
der zweite Reifen noch geflickt werden konnte, luden alle drei Räder in ihren
Kastenwagen und brachten ihn nach Las Flores, wo wir ihn abholen und zum
Gomero, dem Reifenflicker bringen könnten. Wir selbst nahmen das Nötigste aus
unserem Auto, verriegelten es gut, ließen es in der Obhut der Grenzer und
fuhren mit den drei Argentinierinnen nach Las Flores zum Gomero. Die
Grenzformalitäten waren schnell erledigt, auch dort bot man uns jede Hilfe,
auch für die Rückkehr, an, aber der Wagen des Zöllners sprang nicht an. In Las
Flores an der Tankstelle, die der Automobilclub (ACA) betreut, und die einen
Pannen- und Reifendienst hat, war der Reifenflicker leider schon weg, unsere
Räder aber lagen gut bewacht bei der Gendarmerie gegenüber. Also suchten wir
eine Unterkunft. Nachdem wir im Ort nichts fanden, und auch die
Argentinierinnen eine Übernachtung suchten, fuhren wir mit ins Nachbardorf Pismanta,
wo wie im einzigen Hotel (mit Termalbädern, da wollten wir sowieso heute hin)
das letzte Apartment, mit zwei Zimmern und einem Bad, mit ihnen teilten. Wir
luden die Damen zum Abendessen ein, plauderten noch etwas und sanken dann
todmüde ins Bett.
Sonntag, 8. Februar 2004
Am Sonntagmorgen um acht nahm
mich ein Auto wieder nach Las Flores mit, hoffentlich arbeitet der Gomero
heute! Der schon gestern Abend unfreundliche ACA-Verwalter wusste es
anscheinend auch nicht. Ich machte ihm klar, dass ich mit seiner Hilfe wieder
zu meinem Auto zurückmüsste und als Mitglied des ADAC, mit dem der ACA ein
gegenseitiges Hilfsabkommen habe. dafür nichts zu bezahlen brauchte. Dazu war
er aber nicht bereit, aber ich bekam wie die argentinischen Mitglieder einen
Preisnachlass. so dass ich nur ein Drittel des vollen Preises für die
gefahrenen Km das Abschleppwagens zu bezahlen brauchte. Für die Abwicklung sei
der Gomero zuständig. Tatsächlich kam dieser schon um halb neun. Er war sauer
über das Geschwätz des Verwalters, der genau wüsste, dass er jeden Tag, sieben
mal in der Woche, von halb neun bis spät in die Nacht arbeitete und auch
gestern Abend hätte gerufen werden können. Mir imponierte der Mann sehr.
Schnell und geschickt hatte er meine Reifen repariert, die Felgen gewechselt
und ab ging es zurück zu meinem Auto, wo Gott-sei-Dank; noch alles so war, wie
ich es verlassen hatte. Es war mir unmöglich, den Grenzposten eine kleines
Trinkgeld zu lassen, wirkliche, keine gespielte Ablehnung schlug mir entgegen.
Ein Radfahrer tauchte auf, ich
hörte, es sei ein Deutscher. Von ihm erfuhr ich, dass er für die Überquerung ab
Vicuna drei Tage gebraucht habe. Er strebte in das gleiche Hotel, wo wir schon
waren. Da würden wir uns wohl wieder treffen. Ich fuhr schnell zurück, Zuerst
um Sigrid zu benachrichtigen und
dann wieder in die Gomería, um
auch das andere Rad auf den richtigen Felgen zu wechseln und vor allem, um alle
Reifen mit viel Luft aufzupumpen. Denn das, so erklärte mir der Gomero, war
mein Unglück, meine Reifen waren für Stadtfahrten auf wenigen hundert Meter
Höhe ü. M. aufgepumpt, mit 28 Libras, da waren sie zwar schön weich, aber die
Lauffläche wurde nicht voll ausgenutzt, sondern die Räder liefen zu sehr auf
den Rändern, so dass die empfindlichen Seitenränder von den kleinen, scharfen
Steinchen aufgeschlitzt werden konnten. Für solche Touren hier dürften die
Seiten nicht bauchig sein, 35-40 Libras seien für diese Gegend hier angemessen.
Überhaupt erfuhr ich von dem
Gomero auf der Fahrt zu meinem Auto so manches. So habe er vier Kinder, die
wollten jeden Tag essen, jeden Tag, also müsste er auch jeden Tag arbeiten,
jeden Tag. Aber seine Arbeit gefalle ihm, er könne und wolle die vielen LKWs,
die täglich mit Problemen kämen und ihn kennen, nicht enttäuschen. Und er nähme
das alles mit einer Portion Humor und Leichtigkeit. Man müsse über sich selbst
lachen können, dann erst sei man ein glücklicher Mensch. Er fragte mich, was
denn meiner Meinung nach das Leben ausmache, Als ich zu einer fundamentalen
Aussage ausholen wollte, meinte er, ich hätte wohl zuviel darüber nachgedacht,
ich solle ihn anschauen, genau anschauen. Dann holte er tief Luft und ließ sie
langsam durch die Nase entweichen. Das sei Leben! Das müsse man einatmen,
riechen, schmecken und das an jeden Tag, den uns Gott gegeben habe. - Mit
solchen Lektionen waren die 54 km natürlich schnell zurückgelegt.
Wieder im Hotel und mit
repariertem Auto hatte ich einen Riesenhunger. Nach dem Mittagessen und der
Siesta nahm ich ein Thermalbad und fühlte mich langsam wieder wie ein normaler
Reisender. Eigentlich war es unglaublich, wie rasch nach dem ersten großen
Erschrecken gestern abend, - allein auf weiter Flur - alles wieder ins rechte Lot gekommen war. Nur das Kopfweh, das
mich seit dem Aufstieg zur Höhe verfolgte, legte sich nicht ganz.
Gegen Abend besichtigten wir eine
uralte Kapelle aus der Jesuitenzeit um 1660, angeblich die älteste Kirche hier,
erkundeten die Umgebung, den Ort Las Flores mit den großen Pappelalleen
allenthalben, den mit Arkarzien und anderen Bäumen überhangenen breiten,
ungeteerten Straßen, wo man, wie so oft noch hier, mit dem Pferd oder Maultier,
zwei, drei Kinder drauf, einen Sonntagsspazierritt machte. Ansonsten wirkt der
Ort abgeschieden. Ob es überhaupt ein Internetcafe gibt hier? Im Hotel
jedenfalls gab es keins. Es wirkte aber auch ansonsten ziemlich
heruntergekommen, die eigentlich schönen Anlage war wenig gepflegt, das Essen
kümmerlich, aber das Personal sehr freundlich. – Ein Spiegelbild des aktuellen
Argentinien jwd., zweieinhalb Jahre nach dem wirtschaftlichen Zusammenbruch.
Der deutsche Radfahrer, Siggi
Zimmermann, Sozialpädagoge und -psychologe aus Rosenheim, war inzwischen auch
angekommen. Beim Abendessen plauderte ich noch eine Weile. Er kam mit dem
Flugzeug nach La Serena und will in bloß vier Wochen von hier nach Argentinien,
dort weiter in den Norden und dann wieder über den dortigen Pass in die
Atacama-Wüste Chiles und darnach nach D zurück. Er hat Erfahrung als
Radreisender gesammelt, besonders in Nord- und Ostafrika, aber auch im Nahen
Orient, in Europa und den USA. Ein
angenehmer Zeitgenosse, unverkrampft und unprätentiös. In vielem mit ähnlichen
Erfahrungen und Einschätzungen wie ich. Weil er unbedingt die hohen Berge
überqueren wollte, ist dieses eine Mal seine Frau nicht mit dabei.
Montag, 9. Februar 2004
Am Morgen wollten wir die lokale
Sehenswürdigkeiten um Las Flores herum uns ansehen, z.B. zwei alte,
aufgelassene Mühlen, Kanäle aus der Indiozeit, usw. Wir sehen wohl einige
hübsche Örtchen mit staubigen Straßen und vielen großen Bäumen zu beiden
Seiten, deren Äste lang herunterhängen, aber die Sehenswüdigkeiten sind
verwahrlost und ein Flop. Als wir wieder an unserem Hotel vorbeikamen,
entschieden wir spontan, nochmals da zu essen, ich wollte auch noch einmal das
Thermalwasser genießen. Wir trafen beim Essen wieder Siggi, der schon drei
Thermalwasserdurchgänge hinter sich hatte. Nach dem Verabschieden ging es dann
einen steilen Bergabhang hinunter in die weite Ebene, die uns nach Norden nach Villa
Unión führen sollte. Die Straße war schon sehr merkwürdig: guter Asphalt,
aber alle paar hundert Meter gab es Vertiefungen von 20 – 50 m Länge (badénes),
wo in der Regenzeit, d.h. hier zwischen Dezember, Januar und besonders im
Februar – sonst regnet es das ganze Jahr über hier nicht – das Wasser von der
Kordillere abfließen kann. Ob hier dann alles überschwemmt ist? Mit dem letzten
Tageslicht hatten wir das ewige Auf und Ab der Straße wie bei einer Berg- und
Talbahn, hinter uns und fanden auch bald ein kleines Hotel. Das Abendessen in
der kühlen und lauen Abendluft im Freien, - der Wirt hatte für uns wie auch die
anderen Gäste eigens den Tisch auf das Trottoir gestellt, mit einem leckeren
Malbec-Wein aus dieser La Rioja-Gegend hier, schmeckte uns sehr.
Dienstag, 10. Februar 2004
Die Sonne lockte zu Exkursionen, so dass ich das
Tagebuch-Schreiben auf den Nachmittag verschob und wir losfuhren. Heute wollten
wir in die ganz berühmte, fantastische Bergwelt nördlich von Villa Unión und
Vinchina, wo wir den berühmten, zehnzackigen Stern de Vinchina besichtigen
wollten. Der Weg, durch mehrere Flussbetten hindurch gehend, war unpassierbar.
Zwei kleine Bächlein konnten wir gerade noch durchqueren. Aber ein weiterer,
kleiner Bach war zu einem gro0en
roten Fluss angeschwollen, der uns den Weg
versperrte. Es hatte in der Nacht geregnet, das Wasser würde aber bis zum
Nachmittag wieder abfließen. Aber dann war es für uns zu spät. Wir steckten die
Enttäuschung weg, freuten uns an der fantastischen Berglandschaft und
verbrachten dann den Spätnachmittag mit einer Siesta, sowie Schreiben und
Lesen.
Mittwoch, 11. Februar 2004
Heute wollten wir die
Naturparks im Süden des Städtchens besuchen. Eine Stunde Autofahrt bis zur Talampaya-Schlucht,
ein touristisches Muss und für Sigrid seit 30 Jahren ein ersehntes Reiseziel,
dem Gran Canon in Nordamerika ähnlich, wenn auch nicht so tief. Wolken waren
aufgezogen, schlechtes Fotografierwetter. Man vertröstete uns auf den
Nachmittag, also kehrten wir um. Am Nachmittag versicherte man uns per
Telefonat, dass inzwischen die Sonne scheint, daher wagten wir einen zweiten
Anlauf. Ein Führer stieg ins Auto hinzu und los ging es durch das alten
Flussbett des Talampaya-Flusses über Schotter, Schlamm und Kiesel. Der Blick
von unten nach oben, so dass die senkrecht stehenden Wände aus rotem
Sandstein
einem so mächtig erscheinen wie die im Gran Canon, obwohl sie „bloß“ bis zu 150
m hoch sind. Vielfach hat die Winderosion die Ränder ausgefranst, es entstanden
breite, senkrecht stehende Rillen wie an antiken Säulen, mit mehreren Metern
Durchmesser, runde, konkave Wölbungen im Gestein. Manchmal waren die
stehengebliebenen Spitzen der Felsfransen dezimiert oder schon der Wand
vorgelagert. Diese Sandsteinspitzen stehen oft eng beieinander und sehen aus
wie der Büßerschnee auf der Überfahrt in den Hochkordilleren. Oft sind durch
Erdbeben die Sandsteinwände niedergebrochen und liegen als Schutt da oder es
fehlen ganze Zwischenstücke und es blieben große solitäre Berge oder Felsen
übrig. Das Deckgestein diese Berge und der Bergwände ist härter als das
Sandgestein darunter, daher schauen solche Solitäre oft aus, als hätten sie
eine Kappe oder einen Hut auf. Die Leute geben ihnen Namen wie „Monje“ oder
„Torre“. Namen tragen auch manche
Ketten von Bergwänden aufgrund ihrer Ähnlichkeit: z.B. „gotische Kathedrale“
oder „ Sagrada Familia“, „Parthenon“,
u.a.m. Man kann tief in die Schluchten (cajones) und Canons eindringen, stundenlange Autofahrten bei Allradantrieb und
anschließend viele Kilometer lange Fußwegmärschen. Wir begnügten uns mit einem
mittleren Programm.
Leider konnte man die
fantastischen Blicke nur anschauen und anstauen, aber kaum fotografieren, denn
inzwischen waren wieder Wolken aufgezogen, so dass der Fotograf verzweifeln
musste. Wir nahmen uns vor, morgen wieder zu kommen.
Donnerstag, 12. Februar 2004
Ein neuer
Anlauf, aber am Eingang zur Talampaya-Schlucht entscheiden wir uns, doch noch
nicht reinzufahren. Die Sonne steht senkrecht und die Felshänge sind dann doch
nicht im Fotografierlicht. Also fahren wir 100 km weiter zum Park Valle
de la Luna (Mondtal),. Hier hatte es am Tag davor
geregnet und nur ein Teil war schon wieder befahrbar. Das ist nun wirklich eine
gigantische wüste Landschaft mit tiefen Schluchten und Rillen, erinnert mich
ein bisschen an die verwüsteten Atacama-Landschaften des Salpeterabbaues in
Chile, wenngleich in völlig anderen Dimensionen. Hier ist die Wiege der
größeren Säugetiere auf der Welt, sagen den Forschern die Funde. Ein Paradies
für Geologen und Paläontologen. Von den ausgiebigen Erklärungen, die der Führer
uns bei mehreren Fußmärschen in der glühenden Sonne gab, habe ich nicht viel
verstanden. Mir bleibt nur ein grenzenloses Staunen!
Auf der
Rückfahrt endlich im vierten Anlauf nochmals zur Talampaya-Schlucht, und bei
richtigem Sonnenlicht des Spätnachmittags gelingt es Sigrid die tollen Berge,
Wände und Felsen so zu fotografieren, dass ihre Schönheit erkennbar wird,
wenngleich man das wirkliche wunderbare Panorama nie auf Fotos bannen kann.
Freitag, 13. Februar 2004
Der
freundliche Wirt des kleines Hotels, das uns vier Tage lang beherbergt hat,
gibt mir zum Abschied noch einen – eigentlich für den ganzen Nordwesten
geltenden Spruch mit: „Sr. Turista, cuando pasa por este lugar histórico, pero me robes mi amabilidad y cordialidad“,
gemeinter Sinn: Tourist, wenn durch diesen historische Ort hier durchkommst, bringe ich dir meine
Freundlichkeit und Herzlichkeit entgegen. Seit wir in dieser Gegend
Argentiniens sind, haben wir diese Eigenschaften der Bewohner immer wieder
gespürt (mit der einen, o.e. Ausnahme), die vielen gutartigen Gesichter, aus
denen Aufrichtigkeit und Arglosigkeit spricht, die herzliche Anteilnahme an
unserem Begehr, die Hilfsbereitschaft, mit der uns jeder hier begegnet. -
Dann noch
einmal im Internet-Cafe nach eMails geschaut, das Auto vollgetankt, und ab geht
es durch die kurvenreiche, aber bezaubernd schöne Miranda-Schlucht in
die nördliche Catamarca-Ebene. Der Erdweg schlängelt sich auf halber
Höhe, dem Miranda-Fluss folgend, an den Bergketten entlang, die hier häufig ein
sanftes Grün tragen und aus denen dicke Kiesel oder Quarzbrocken hervorlugen,
oder auch manche braune Berghänge und der Fluss, der mit weißen Kiesel besetzt
ist. Der Weg und Ebene ist oft gesäumt mit 3-5 m hohen, dicken Säulenkakteen,
die Blüten tragen. Ein ganz wunderschöner Anblick.
Am Ende der Schlucht stoßen wir
auf ein wahrhaft ungewöhnliches Heiligtum: die „Difunta Correa“- Die 1841 in der Wüste um San Juan
verdurstete Gauchofrau, die auf der Suche nach ihrem Mann, unterwegs noch das
Kind gebar, das an ihren Brüsten hängend, überlebte, wird von der Volksfrömmigkeit
als Hl.e verehrt. Da per Zufall „difunta correa“ auch „kaputter Autoreifen“
heißt, ist in diesem Riesenland, wo das Auto das Fortbewegungsmittel
schlechthin ist und der Autokult weitverbreitet, die Gauchofrau auch zur
Patronin der Autofahrer und des Autos geworden, nicht sehr zur Freude der
Kirche. Das Gnadenbild ist daher gesäumt sowohl von
Autoreifen, Auspufftöpfen,
u.a.m wie auch von gefüllten Plastikwasserflaschen gegen Verdursten.
Sinnigerweise beginnt das Wegelchen zu dem kleinen Heiligtum mit einem
Piknikplatz mit schattenspendendem Zinkdach, wo wir unsere große Wassermelone
schlachten und auf die Hälfte dezimieren. Immer wieder tauchen am Straßenrand
kleine Altärchen der Difunda Correa mit den entsprechenden Opfergaben
(Autoteile, Wasserflaschen) auf.
Wir kommen zu dem Städtchen Chilecito,
dieses Klein-Chile hat seinen Namen von den chilenischen Gast- und
Minenarbeitern, die im vergangenen Jh. die Edelmetalle im umgebenden
Famatima-Gebirge abgebaut haben. Bei einem Abstecher zu dem gleichnamigen Ort
dieses Gebirges sehen wir in der Pfarrkirche einen Christus aus dem alten Peru
des 18. Jh.s, der wie eine
Gliederpuppe beweglich sein soll. Aber außer dem
ruhigen und freundlichen Ort mit vielen und großden Baumbeständen, vor allem
die mächtigen Trauerweiden fallen hier auf, und - wie in allen diesen Orten der Bergwelt – mit einer großen.
schattigen Plaza – sehen wir nicht viel von dem Bergmassiv des 6000er; die
schneebedeckte Spitze hüllt sich in Wolken. Wieder zurück auf der Nationalstraße
N40 fahren wir weiter nach Norden. Die asphaltierte Straße verläuft, - auch wie
so oft hier – über 50 und 100 km manchmal pielegerade, so dass wir schnell
voran kommen, obgleich eigentlich nur 80 km pro Stunde erlaubt sind, am Abend
müssen wir noch durch zwei, drei langgezogene Straßendörfer hindurch, eins mit
dem illustren Namen „Londres“ (London), bis wir in dem nicht weniger illustren
„Belém“ (Bethlehem) ankommen, das auf Fremdenverkehr eingestellt ist und wo wir
zwei Tage bleiben wollen.
Samstag, 14. Februar 2004
In dem kleinen Städtchen Belém haben Moped –
besonders beliebt bei den Mädchen – und Fahrrad – eher für Jungens und für Erwachsene – das Pferd und den Esel als
häufigstes Fortbewegungsmittel abgelöst. In „Stoßzeiten“, z.B. wenn die
brutende Tageshitze gegen 18 Uhr durch eine angenehmere Kühle abgelöst wurde,
herrscht geradezu reger (Ampel-)Verkehr rumd um die wie überall hier geräumige
und schattige Plaza. Für uns besteht die Hauptattraktion Belélms in seinem archäologischen
Museum, das vollgestopft mit den prächtigsten Funden aus
verschiedenen Epochen der Diaguita-Zeit ist. Im buchstäblichen Sinne
vollgestopft, die schönsten Stücke stehen in einfachen, geprängelt vollen
Regalen, vieles sogar noch in Pappkartons. Welche Banausen mögen bloß die
Stadtväter sein? Ich spare nicht an bissigen Kommentaren. Und wie kurzsichtig!
Die Haupttouristenattraktion nicht für die Stadtentwicklung zu nutzen. Später
beruhige ich mich bei einem typisch argentischcs Bife de Chorizo und einer
Flasche weißen Torontés, eine Weinrebe, die in dieser Gegend bestens gedeiht,
auf der Parrillada gebraten.
Sonntag, 15. Februar 2004
Belém liegt schon am Rande des breiten Santa-María-Beckens,
das auf beiden Seiten in Richtung Nord-Süd von hohen Bergmassiven flankiert ist
und wo sich Indianerkulturen und Kolonisatore hart aufeinander gestoßen sind.
Zunächst verblüfft uns die Landschaft, dürre Sträucher wachsen über trockenem
Fels- und Steinboden, der von Sand und Sanddünen überzogen ist. Halbwüste,
andere sagen sogar, die Sahara Argentiniens, die nur am Santa-María-Fluss
selbst fruchtbare Oasen hat, in denen Trauben, Paprika und ein paar Obstsorten
gedeihen. Die 175 km bis zu dem Ort Santa María kommen uns vor wie eine
Tagesreise; Erdwege und Steinwege wechseln sich ab und erlauben nur langsames
Fahren. In dieser Gluthitze möchte ich keine Autopanne haben! In Santa María
angekommen, fahren wir weiter nach Tafí, 110 km vor Tucumán, das
schon auf der anderen Seite des östllichen Bergmassivs liegt. Wir überqueren
den Fluss, machen aber noch einen Halt an dem neuen Parque de Pachamama
und dem sich anschließenden Museum in Amaichá del Valle, ein Indiodorf.
Überhaupt sieht man in diesem Teil noch viele Argentinier indianischer
Abstammung, eher klein, dunkelhäutig und mit den typischen schönen
Indianergesichtern. Einer von ihnen, Sr. Cruz hat diese Anlage entworfen und
errichtet. Die Gebäude sind aus verschiedenen Steinen der Gegend errichtet, sie
sind mit indianischen Ornamenten und Symbolen, in jeweils andersfarbigem
Gestein fest vermauert. Die großen metallenen Portale zeigen ebenfalls
indianische Motive. Im Museum selbst gibt es außer der Darstellung der
Lebensgewohnheiten der Indígenas auch Räume für die moderne, indianisch
beeinflusste Kunst und Malerei; auch eine Tienda mit gehobenen
kunsthandwerklichen Erzeugnisse der Gegend wurde natürlich nicht vergessen. Ein
gelungenes Beispiel für die Synthese von Vergangenheit und Gegenwart, erknüpft
mit kommerzialen Interessen, - auch ein großes Hotel entsteht gerade!
Dann schlängeln wir uns den Berg hoch bis zum Pass
Infiernillo (kleine Hölle) auf 3020 m Höhe. Der rauhe und teilweise löcherige
breite Asphalt erfordert gleichwohl größere Aufmerksamkeit, auch wegen der
hunderten von Kurven. Dennoch optieren wir dafür, dass diese Strecke, jetzt im
Abendlicht den bisher wundervollsten Anblick bietet. Die Berge und Hügel sind
alle von einem zarten Grün überzogen, gelbe, margarithenähnliche Blumen
bedecken die Bergwiesen; und immer wieder stehen wuchtig und sicher und fest da
die Säulen- und Kandelaberkakteen (cardón). Auf einem Stamm von etwa zwei Meter
Höhe verzweigen sich meist mehrere Äste, die auch wieder zwei, drei Meter Höhe
haben können mit öfters einer Blüte darauf. Diese Kakteen durchziehen in
Gruppen von jeweils 30- 100 Stück die gesamten Hänge. Ein unbeschreiblicher
Anblick! Vielleicht für uns auch deshalb, weil wir so stark den Kontrast zu der
Steppenwüste auf der anderen Flussseite erfahren haben.
Und plötzlich sehen wir nach dem Pass Infiernillo
auf der Abfahrt unter uns Hochnebel aufsteigen, bald müssen wie die Lichter
anmachen, sind aber kurz darnach in Tafí, wo wir im First-Class-Hotel
des ACA ein erstklassiges Zimmer bekommen, als ADAC-Mitglied zu günstigem
Preis, und noch viel günstiger wegen des Wechselkurses Euro zu Peso Argentino.
Ein anstrengender und aufregender Tag geht zu Ende mit einem schmackhaften Bife
de Chorizo und einem leckeren Torrontés-Wein.
Montag, 16. Februar 2004
In Tafí del Valle habe viele betuchte Argentinier
sich hübsche Sommerhäuschen gebaut und reiten auf Pferden die Hänge rauf und
runter, auch viele Kinder, oft alleine. Ansonsten ein Touristenort mit vielen
Andenkenläden und Hotels. Im
Nachbardorf El Mollar befindet sich am Berghang der Parque de los
Menhires, wo 129 Granitsäulen mit Ritzzeichnungen, die man aus der
indianischen Zeit in der Umgebung gefunden und hier einfach zusammengetragen
und in viele kleine Kreisen angeordnet hat, ein Nationalheiligtum, das sich mir
und wahrscheinlich den meisten nicht erschloss. –
Wir verzichten auf das 110 km weiter entfernte
Großstadt Tucumán, denn dort soll es 40-50 Grad heiß sein und überdies feucht.
Also kehren wir um, bleiben in den Bergen und fahren dann weiter an den
Kordillerehängen vorbei nach Norden. Wir wollen über Cafayate, Cachí in einer
großen Kehre nach Salta, der „hübschen“ Metropole des Nordens.
Bis Amaichá del Valle geht es den gleichen Weg von
gestern wieder zurück. Heute, bei anderem Licht kommt er uns gar nicht mehr so
großartig wie gesten vor. In Amaichá
wollen wir uns nochmals die architektonische und künstlerische Meisterleistung
von Cruz anschauen. Da noch nicht offen
ist, essen wir in einem kleinen Landrestaurant ein typisches Gericht: Locro,
eine Art verdickte Maissuppe mit Fleischstücken sowie Humitas, ein weiteres
Maisgericht, aber nicht wie in Chile, humitas en chala, in Maisblätter
eingewickelt, sondern als Brei mit Zwiebeln, Paprika, uam. Zur Überraschung
stellt sich der Wirt als ein „Freizeit- und Sommerwirt“ heraus, der
hauptberuftlich Ingenieur in Tucuman ist, daneben Projekte der Malerei und
Poesie betreut und internationale Künstlerbegegnungen, auch in Deutschland, für
eine Stiftung bei Dresden, arrangiert.
Auf dem Weg nach Cafayate ist und rekonstruerte
Ruinenstätte einer früheren Indianersiedlung Quilmes unser nächstes Ziel. In
35-jährigem Krieg haben die Spanier diesen Stamm durch Aushungern besiegt und
gezwungen, zu Fuß bis an die La-Plata Mündung zu marschieren und sich bei
Buenos Aires anzusiedeln. Das geknechtete Volk beschloss daraufhin das eigene
Aussterben. Quilmes ist heute ein Vorort von Buenos Aires und eine nationale
Biermarke.
Wir verzichten darauf, weiteren Indioruinen- und
Ausgrabungsstätten aufzusuchen und folgen der Nationalstraße N 40, der längsten
Straße Argentiniens. Im Süden, in Patagonien haben wir sie als Schotterweg
gefürchtet, weil wir sogar mit unserem Allradantrieb, bei steifem Wind, auf ihr
hin und hergetrieben wurden, und jetzt, im Norden, geht es, - mal über Sand,
mal über Stein – mal rauf, mal runter - den Windungen der Bergklippen folgend,
wo oft keine zwei Autos aneinander vorbeikämen. Manchmal auch führt sie durch das mit leichten Dünen überzogene
Flusstal des Santa María, der sich bei Cafayate mit dem Colchaquí-Fluss
vereinigt, um dann in Richtung Salta abzufließen. In Cafayate haben wir wieder
im ACA-Hotel gebucht. Der 10 000 Einwohner zählende Ort lebt vom Weinanbau und
vom Tourismus. Um die geräumige Plaza herum wechseln sich Hotels, Restaurants
und Andenkengeschäfte ab. Man vermietet Fahrräder, Tandems, Drehdroschken,
Esel, Pferde, kleine Autos mit Antrieb für Kinder und Mopeds, ein buntes
Treiben herscht im Ort.
Dienstag, 17. Februar 2004
Mittwoch, 18. Februar 2004
Reisebericht 2.Teil, 19.2.
–28.2. 2004
Donnerstag, 19. Februar 2004
Aber der Weg nach Salta ist besser, als wir gedacht
haben; sogar asphaltiert die ersten 37 km, das Mittelstück ist Schotterstraße.
Wir kommen vorbei am größten zusammenhängenden Kakteenwald des Nordwestens, dem
Parque Los Cordones, mit mächtigen Baumkakteen. Schrauben uns dann zum Pass Piedra
del Molino (3548 m) hoch, ehe es die s.g. Cuesta del
Opispo wieder
in Serpentinen hinuntergeht zur Flusshöhe. An jeder Biegung tun sich neue
Aspekte von rotem und grünem Sandstein auf der gegenüberliegenden Seite auf; in
den Höhen sieht man an den Wänden dicke, gefrorene mächtige Eiszapfen. Dann
kommen wir ins Flusstal; wo sich der
Weg am Rand vorbeischlängelt und in den Fels frisst. Plötzlich befinden wir uns
mitten im Urwald mit üppigem, überhängendem Grün an den Felsen, Bambus- und
andere Stauden säumen den Weg, einige Grünpapageienschwärme zwitschern vorbei.
Nach einer Stunde durch die schluchtartig enge Straße ist alles wieder vorbei;
der geliebte Asphalt hat uns wieder, wo wir bald an Salta ankommen. Wir finden,
fast an der Plaza, ein preisgünstiges Hotel und beschließen in dieser Stadt,
die zur Recht den Beinamen „die Hübsche“ trägt, einige Tage auszuruhen und
dieses Flair zu genießen. Zum Glück ist die Parrillada, die saftige Steaks mit
Rotwein serviert, unmittelbar neben dem Hotel, das Bett also ganz in der Nähe.
Freitag, 20. Februar 2004
Zunächst ärgerte ich mich, dass heute Feiertag ist;
denn wir wollten noch einige Besorgungen machen. Auch das Auto hatte eine
Überprüfung nötig. Dann aber erfuhren wir, dass heute die Gedenkfeiern zu Ehren der Gauchos und ihres Führers Güemes
stattfinden mit der großen Parade der bis zu 1500 Gauchos. Güemes hatte mit
seinen Gauchos in den Unabhängigkeitskriegen bis 1821 sechsmal die spanischen
Royalisten abgewehrt und ist hier der große Freiheitsheld und Patriot. Der
Frust verwandelte sich in Freude; von diesem Spektakel hatte ich schon in
Deutschland gehört und auch im Fernsehen gesehen. Welch’ eine unerwartete
Überraschung! Die Szenerie hielt, was sie versprach. Viele hunderte von (echten
oder Freizeit-Gauchos) zogen an der Ehrentribüne vorbei - und an uns. Ich postierte mich dreist, mit
gezücktem Fotoapparat, als gehörte ich dazu, neben die Reporter. Ich machte
unzählig viele Fotos mit meiner Digitalkamera, merkte aber erst zu spät, dass
die meisten nichts wurden, weil die Batterie ihren Geist aufgegeben hatte. Die
Reiter zogen jeweils in Gruppen (Fortínes) vorbei. Über die typischen Gauchokleidung,
Hut mit breiter Krempe, weite Hosen, Stiefeln mit Sporen, hatten sie meist den
rotschwarzen Umhang überhängen oder den ihrer Agrupation. Manchmal waren die
Pferde herausgeputzt, immer mit dem breit abstehenden Knieschurz ausgestattet,
das Lasso (typisch für diese Berggauchos und nicht das Seil mit den drei Bolos,
wie bei den Pampa-Gauchos) hinten aufgerollt. Die Reden der Großkopferten, u.a.
des Provinzgouverneurs, enthielten jede Menge Allgemeinplätze, über Gauchos,
die Unabhängigkeit Argentiniens, damals und heute (Malvinenkrieg), und in den
Lautsprecheransager beschwor immer wieder den Patriotismus. Gleichwohl für die
Argentinier ist dies mehr als ein folkloristisches Spektakel.
Am Abend besuchten wir eins der typischen Boliches
(Pena, Musikkneipe), wo verschiedene Gruppen und Solisten die für die Gegend typische Volksmusik
spielten. Es gefiel uns so gut, dass wir bis gegen 2 Uhr blieben.
Samstag, 21. Februar 2004
Der Samstag verging mit Besorgungen und Geschäftigkeiten, die aber aufgrund des
Wochentages und der streng eingehaltenen Mittagsruhe (Siesta) zum größeren Teil
erfolglos blieben. Überhaupt, zwischen 13/14 Uhr und 17/18 Uhr ist selbst in
dieser fast Halben-Millionen-Stadt nichts los, alle Geschäfte zu. Es geht
gemächlich zu hier, aber sehr geschäftig während der Öffnungszeiten, und doch
spürt man keine Hetze. (Der einzige, der hetzte, war anscheinend ich,
wahrscheinlich, weil ich mit meinen Besorgungen nicht fertig wurde, z.B. war ich viermal da, wo ich meine Hose zur
Reinigung gegeben hatte, dreimal war zu.) In den Fußgängervierteln und um die
Plaza herum drängeln sich um gut bestückte Geschäfte die hier recht gut
gekleideten Menschen. Hier in der Stadt spürt man, jedenfalls auf den ersten
Blick - nichts von dem oben beschriebenen Niedergang Argentiniens. Der Flair
dieser Stadt strahlt auf den Besucher zurück, man fühlt sich wohl hier; die
Menschen sind freundlich, hilfsbereit und unaufdringlich. Wir sind überrascht
von der Modernität und Offenheit; Salta hat sich seit unserem letzten Besuch
vor zehn Jahren in dieser Hinsicht sehr verändert.
Heute Abend besuchen wir die altehrwürdige, traditionsreiche Pena „Balderrama“, an die
ich vor zwanzig Jahren die beste Erinnerung hatte, vor zehn Jahren fand ich sie
nicht mehr so gut. Aber was ich heute hier an seichter Musik und lautem
Gedröhne abbekam, so was hatte ich noch nicht erlebt. Oder war das nur wegen
meiner Tagesform?, denn Sigrid fand es übrigens gar nicht soo schlimm.
Sonntag, 22. Februar 2004
Heute machen wir endlich Stadtbesichtigung. Der Kern
dieser schon im 16. Jh. gegründeten Kolonialststadt ist besonders hübsch und
gut erhalten. Die Stadt ist – wie alle Kolonialstädte in der Neuen Welt – im
Carré (cuadras) rund um die Plaza herum angelegt. so das es leicht ist, sich in
Städten aus der Kolonialzeit zurechtzufinden. Früher galt, je näher an der
Plaza, um so wichtiger oder vornehmer das Haus. Daher liegen an der zentralen
Plaza, - wie immer, so auch hier – das Rathaus (der Cabildo) und die Kirche, -
hier eine prunkvolle Barock-Kathedrale, die nachts angestrahlt wird, so dass
die Säulen in Weiß, die Wände in blass rosa, Kuppeln, Atrium, und Innenwände
ocker-gelb leuchten -, sowie andere altehrwürde Gebäude um die Plaza herum,
etwas entfernter finden sich weitere Schmuckstücke der Stadt, die San
Francisco-Kirehe und der San Bernardo-Konvent. Am Ende des großen
San-Martín-Parques geht eine Seilbahn den naher Hügel hinauf, von wo man einen
guten Blick über die Stadt hat. –
Da heute Fastnachtssonntag ist, gehen wir am Abend
zur Fastnachtsparade. Gegen 22 Uhr beginnt der Vorbeizug der Gruppen und
endet - on dit – um 5 Uhr morgens. Wir
halten es bis gegen 2 Uhr in der Nacht aus. 52 Fastnachtvereine der Stadt
ziehen vorbei. Fast jede Gruppe hat eine eigene Musik, zu der sich die meistens
maskierten und immer kostümierten Tänzerinnen und Tänzer bewegen, manchmal hält
die Gruppe und tanzt, oft genau an der Kreuzung, wo wir einen Sitzplatz
erstanden haben. Uns beeindruckt die Energie, die unermüdliche Ausdauer und
die
animierten Gesichter der Tänzer. Ich machte unzählige Fotoaufnahmen, verzichte
aber hier auf genauere Beschreibung des Corsos, der ähnlich aufgebaut
ist, wie man es auch von Rio kennt.
Montag, 23. Februar 2004
Endlich geht es weiter nach Norden. Die nächste und
nördlichste Provinzhauptstadt Argentiniens ist Jujuy, die wir aber glatt
durchfahren. Eigentlich sind es nur 120 km von Salta aus, aber wir haben den
Eindruck, dass wir nie ankommen werden und zudem das einzige Auto auf dieser,
gut ausgeschilderten Strecke sind. Später wurde uns klar, dass es noch eine
andere, längere, aber z.Z. autobahnähnliche Route gibt. Dafür führt unsere
Straße z.T. durch richtigen Urwald – wie man ihn in dieser geographischen
Breite und dieser geringen Höhe üM. hier öfters antrifft. Die Strecke ist eine
kurvenreiche Angelegenheit. Auf über 500 Kurven kann man die Armmuskel
trainieren und zugleich die Hupe bedienen lernen - wegen der Enge dieser
Straße, über die früher der ganze Verkehr abgewickelt werden musste. Kein
Wunder auch, dass sich die beiden Städtc mehr gegen- als miteinander entwickelt
haben.
Nach Jujuy streben wir auf der zumeist recht guten
und neuen Straße – ich habe die von früher noch in ganz anderer Erinnerung -
der Grenzstadt La Quiaca entgegen; müssen aber von 1200 m üM auf 3500 ansteigen.
Der Weg führt durch die Quebrada de Humahuaca (Humahuaca-Schlucht) nach Humahuaca,
dem Zentrum der indigenen Kultur Nordwest-Argentiniens, das der Tourist
ungedingt bereist haben muss und daher – leider – viel von seiner Authentizität
verloren hat. Stattdessen hat es jetzt ein großes Denkmal
mit der Pose eines
siegreichen Indio. Die vielen berühmten Dörfer entlang der Strecke und auch
abseits davon haben noch mehr indianische Eigenart bewahrt. In dem schmucken
Dörfchen Purmamarca, von wo
es weitergeht in Richtung Chile über den Hama-Pass (den wir nicht fahren
wollen) machen wir Aufnahmen von dem Kirchlein und dem Cerro de los Siete
Colores (nomen es omen). Wieder auf dem Weg nach Norden wollten wir an
diesem Tag nur bis Tilcara, das, neben vielen Herbergen, sogar ein
Touristenhotel hat und – belagert ist von unzähligen, meist argentinischen
Rucksacktouristen; also auch hier ist inzwischen die Touristeninvasion
angelangt! Wahrscheinlich sind viele bloß hier, um den Karneval mitzubekommen,
der in dieser Gegend Argentiniens (die Nähe zu dem besonders intensiv
gefeierten Karneval in Bolivien lässt grüßen!) besonders gepflegt wird. Was wir
in Tilcara, sowie in einigen anderen Puna-Dörfern zu sehen bekommen, reißt mich
aber nicht vom Hocker: eine oder zwei, drei kleine Musikgruppen, dahinter ein
größerer oder kleinerer Zug von maskierten Tänzern und noch mehr unmaskierten,
die Gesichter meist mit grauem Talg angemalt, die singend und lachend durchs
Dort ziehen oder von einzelnen Geschäften eingeladen werden zu tanzen. Bei den
Kindern ist besonders eine Art Spritzpistole mit Wasserschaum beliebt, was uns
schon in Salta zu schaffen gemacht hat. An den vielen kleinen Ständen rund um
die Plaza mit Folklore-Artikel, wo man das Geschäft des Jahres machen will, erstehen
wir für wenig Geld einige wunderschöne Stoffe mit traditionellen Farben und
Motiven der Indios. Wir verzichten auf das „Nachleben“ an Rosenmontag, auch
wenn uns damit vielleicht das Wichtigste entgeht.
Uns haben an diesem Tag besondern die in allen
Regenbogenfarben schillernden Berge und Bergformationen gefesselt, obgleich wir
nicht das erste Mal – und wahrscheinlich auch nicht das letzte Mal hier sind.
Das ist schon ein unbeschreiblicher – und daher von mir unbeschriebener –
Anblick. Sigrid kennt an dieser Strecke von früheren Reisen her viele besonders
reizvolle „Fotomotive“ und Standorte für gute Fotos. Von besonderer Wichtigkeit
ist das schräg einfallende Licht mit langen, tiefen Schatten, das Licht, das zu
jeder Tageszeit die Berge anders erscheinen lässt.
Dienstag, 24. Februar 2004
Am anderen Morgen geht die Fahrt weiter, über
Humahuaca, wo mich Sigrid im Restaurant der Bushaltestelle mit meinem Laptop
zum Tagebuchschreiben absetzt und alleine nochmals ein Stück zurückfährt, um
gute Fotos bei gutem Licht zu schießen. Anschließend steigen wir bei Abra Pampa
auf in die Hochebene des Altiplano, die in den Höhen von 3000- 4000 m den Namen
Puna trägt und von sehr spärlichem Puna-Gras und -gebüsch überzogen ist.
In dieser Höhe gibt es natürlich keinen Urwald mehr, auch die uns bis Humahuaca
begleitenden Baumkakteen gedeihen hier nicht mehr. Wir machen einen Abstecher
zu dem 52 km entfernten Puna-Dörfchen Casabindo, das eine der schönsten
und die größte Puna-Kirche aus der Kolonialzeit hat. Der Erd- und Schotterweg
macht unserem Auto zu schaffen; es stöhnt und ächzt; wir werden auf dem
Waschbrettschotter kräftig durchgeschüttelt; zum Glück haben wir Allradantrieb,
sonst müssten wir umkehren. Beim Näherkommen sehen wir schon von weitem in
leuchtendem Weiß das Kirchlein. Aber das Dorf selbst ist vom Verfall
gezeichnet; viele der Adobe-Häuser sind verwahrlost oder unbewohnt. Wer will
schon heute auf dem Lande wohnen, fernab vom Fortschritt, den
Verdienstmöglichkeiten, den guten Schulen, etc; die meist älteren Leute
bleiben, die jungen ziehen in die Stadt und erweitern die Gürtel um die
Stadtränder mit ihrer schlechten Infrastruktur; so auch um Salta und Jujuy
herum. Wir verlassen das wenig einladende Dörfchen und wollen möglichst noch
vor der Dunkelheit wieder auf der Asphaltstraße sein, um das dann nur noch 75
km entfernte La Quiaca zu erreichen. Keineswegs aber bereuen wir diesen
Abstecher in eins der Puna-Dörfer. Die Puna selbst ist das Erlebnis: diese
eigenartige Höhenlandschaft, alles flach und karg mit Strauch- und Grassteppe,
in denen unzählige Llamaherden und sogar Vicunas grasen, und nur von weitem
umringt ist von den hohen 6000-er Bergen, übt in der Abendsonne und ihrer
stillen, erhabenen Ruhe einen eigenartigen Reiz auf uns aus.– Spät in der Nacht
kommen wir dann in der Grenzstadt La Quiaca an und finden nach einigem
Suchen auch ein ordentliches Hotel, wo wir die nächsten zwei Tage bleiben
werden; um von hier aus sehenswerte Orte zu erobern.
Mittwoch, 25. Februar 2004
Unser erster Ausflug gilt dem traditionsreichen
Dörfchen Yavi, das neben dem Herrensitz des damaligen Markgrafen eine
wuchtige weiße Puna-Kirche vorweisen kann. Den Hochaltar dieser Kirche ziert
ein goldenes Barock-Triptychon, es hat eine kostbar geschnitzte und vergoldete
Kanzel, ebenso Beichtstuhl, kostbare und reich verzierte Altarbilder und
sonstige Schätze. Wie kommt soviel Kunst in ein so abgelegenes Dorf?
Blitzlichtaufnahmen sind natürlich verboten; also gebe ich der Wärterin ein
kleines Trinkgeld und machen alle Aufnahmen, die ich brauche. Dieses Dörfchen
scheint im Gegensatz zu Casabindo und vielen anderen nicht vom Verfall, sondern
vom Aufschwung (es wird viel gebaut oder renoviert in Adobe-Bauweise)
gekennzeichnet zu sein. Mögliche Gründe könnten sein, die Nähe zu La Quiaca auf
Asphaltstraße, dazu die Fruchtbarkeit des Bodens oder der aufblühende
Tourismus, (die Kirche in allen Reiseführern besonders hervorgehoben.) Auf dem
Weg hierhin kamen wir an der Hügelkette Los Siete Hermanos vorbei, deren
Hügel wie Brotlaiber gewellt nebeneinander liegen; die Brote selbst scheinen in
Scheiben von immer wieder anders gefärbten Gesteinen aufgeschnitten zu sein, so
dass über die Hügel hinweg ondulierte Gesteinsformationen den Blick des
Betrachters fesseln. Ähnliche Formationen haben wir schon gestern in Maimará
und Tres Cruces gesehen und fotografiert.
Wieder zurück in La Quiaca fahren wir an die Grenze,
um uns dort bei den Argentiniern und den Bolivianern über die Risiken zu
informieren, mit unserem chilenischen Auto nach Bolivien einzureisen, ohne dass
uns – als feindliche Chilenen - die Reifen zerstochen, das Auto zerkratzt oder
mit Steinen beworfen wird. Nach La Paz zu „unseren Mädchen“, die in Koblenz
waren, zu fahren, hatten wir schon drangegeben, aber wir dachten, in das, von
den Fanatikern um La Paz herum weit abgelegene Sucre könnte man evtl.
riskieren, um den schon lange versprochenen Besuch bei Frau Hochmann dort zu
verwirklichen. Von Sucre könnte man dann nach La Paz fliegen. Der Argentinier
an der Grenze rät uns glatt ab; der Bolivianer rät uns zu (die Unruhen seien
lokal begrenzt, und auf unserem Weg kämen wir nicht durch radikalisierte
Airmará-Dörfer, sondern durch die der Quechua-Indianer); verlässliche Angaben
gibt es nicht. Also, schon an der bolivianischen Grenze, beschließen wir sehr
schweren Herzens, nicht weiterzufahren, sondern umzukehren; vielleicht ergibt
sich später von Arica in Chile aus noch eine andere Chance, evtl. auch fliegen.
– Das Treiben an der Grenze, die Indianerfrauen tragen unaufhörlich in ihren
Ketzen Schmuggelware wie Radios, Computer, Zigaretten, etc. auf die jeweils
andere, teurere Seite, wo diese dann in die Läden kommt, dies kennen wir schon
zur Genüge und regt uns nicht auf. – Am Nachmittag wollten wir eigentlich zu
der Flamingo-Lagune Pozuelos; erfahren aber, dass der Weg dorthin wegen starker
Regengüsse gesperrt ist und der einzige Zugang nur von Abra Pampa aus möglich
ist; also da, wo auch der Weg nach Casabindo abzweigt. Das heißt für uns also,
bis dorthin wieder zurück. Zuvor wollen wir von Quiaca aus die angeblich
hübscheste Puna-Kirche bei dem 12 km entfernten Tafna besuchen. Also
wieder auf Schotter- und Erdweg. Nach 12 km kommt nichts, auch keine
Abzweigung; wir fahren bis zum nächsten Ort, 36 km auf schlechtester Straße.
Tatsächlich sehen wir die Kirche, die uns aber gar nicht so toll vorkommt.
Sigrid war total enttäuscht, denn in ihern Führern war eine andere Kirche
abgebildet. Das war also ein Flopp und es geht den gleichen Weg wieder zurück.
Im Hotel nach einer Verschnaufpause erklärt mir Sigrid plötzlich aufgeregt,
dass wir Tafna überhaupt nicht gefunden hätten. Die Kirche von Tafna läge ganz
ohne ohne Dorf in einer kaum zugänglichen, nicht einsehbaren Geländefalte. Wir
machen gegen Abend einen neuen Anlauf, suchen nach 12 km die angebliche
Abzweigung vom Hauptweg, erfolglos, fahren öfters ein Stück weit in die Pampa
hinein, finden aber weder Wegelchen noch Kirche. Dann sieht Sigrid durch das
Teleobjektiv hindurch in der Ferne die Kirche, aber keinen Weg dahin, außerdem
wird es jetzt dunkel. Zum dritten Mal enttäuscht an diesem Tag geht es wieder
zurück. Wir beschließen morgen nach Salta zurückzufahren, aber vorher noch den
Flamingo-See zu sehen zu wollen.
Donnerstag, 26.
Februar 2004
Früh um 7 Uhr, gut
ausgeschlafen, beeilen wir uns, die 80 km zurück bis zur Abzweigung und dann
die 54 km Erd- und Puna-Strecke zurückzulegen, um an die Pozuelos-Lagune zu
kommen, ehe die Flamingos am Spätvormittag mit der Nahrungssuche am See
aufhören und sich der Mittagsruhe hingeben. Auch auf diesem Weg sehen wir immer
wieder Llama-, Alpaka- und sogar Vicuna-Herden. Viele Tiere glotzen uns
verständnislos an und gehen kaum zur Seite oder benehmen sich wie die Hühner;
manche wälzen sich im Staub der Straße, um die Haut gegen Insekten zu
schützten. – Wie am Abend vorher finden wir auch hier nach den angegebenen
Kilometern den Zugang nicht, ja wir sehen überhaupt keinen See, auf Verdacht
fahren wir weiter, - die Zeit drängt- da sehen wir plötzlich einen Hirten. Der
gibt uns sehr bereitwillig Auskunft, froh, mal wieder mit Menschen reden zu
können, wir folgen seinen Anweisungen, müssen aber noch durch glitschige und
schwammige Wege und – unglaublich! – da liegt plötzlich vor uns der See,
riesengroß. Schilder ermahnen uns, das Auto hier stehenzulassen, wegen der Natur
und wegen des morastigen Bodens. Aber da es hier anscheinend länger nicht
geregnet hat, der Boden also etwas trockener zu sein scheint und - weil es bis
zu den Flamingos in weiter Ferne doch noch einige Kilometer weg ist, fahre ich
weiter, bleibe aber vorerst noch in der Spur eines anderen Autos, das
anscheinend die gleiche Situation hatte wie wir. Wir kommen näher und es
gelingen Sigrid schöne Aufnahmen; die Tiere sind aber scheu und verziehen sich
bald. Wir kehren um und auf dem gleichen Weg wieder nach Abra Pampa zurück. Die
fast fühlbar-laute Stille am See – man hört nur die eigenen Geräusche – und die
außerordentlich beeindruckende Puna wirken nachhaltig auf die Gemütsverfassung.
Auch hier gilt wie so oft: Der Weg ist das Ziel.
Dann geht es auf
dem oben schon beschriebenen Weg die 380 km wieder zurück nach Salta, aber
diesmal nicht den der 500 Kurven, sondern über die Autobahn und die gut ausgebaute Schnellstraße.
Todmüde kommen wir an, endlich wieder in Salta,! Und wieder ins gleiche Hotel,
wo man uns noch kennt. Eine halbe Stunde später auf der Plaza treffen wir
zufällig unsere argentinischen Bekannte aus Buenos Aires, die wir seit einer
Woche gelegentlich im gleichen Hotel sehen und die eine ähnliche Reise wie wir
unternehmen. Wir beschließen in der benachbarten Parrillada gemeinsam zu Abend
zu essen. Trotz unserer Müdigkeit wird es ein vierstündiger angenehmer Abend
bei gutem Essen. Wir entdecken viele gemeinsame Ansichten und Erfahrungen,
tauschen Erfahrungen aus oder vertiefen die Eindrücke, über die wir uns schon
bei früheren Begegnungen ausgetauscht hatten. Er ist Chirurg, sie Hautärztin;
beide träumen seit ihrer Jugend davon, diesen mit historischen Mythen
getränkten Teil ihrer Heimat endlich einmal kennen zu lernen. Für
vorurteilsfreie Argentinier ist der Nordwesten der authentischste Teil ihres
riesengroßen Landes; hier kreuzten sich die Wege der echten Ur-Argentinier mit
denen der europäischen Eroberer und der späteren Einwanderer in vielfacher
Weise. Und hier hat sich, wie man den Leuten ansehen kann, noch am ehesten
indianisches Blut erhalten und - indianische Kultur. Ansonsten ist das heutige
Argentinien ein Völkergemisch, vor allem europäischer Vorfahren; Italiener und
Spanier (aus Galizien) sind dabei führend. Vielleicht gerade, weil es sich aus
so vielen Einwanderernationen und –generationen zusammensetzt, gibt es kaum
Rassenprobleme.
Freitag, 27. Februar 2004
Durch Erfahrungen gewitzt, ist heute, nach diesen
Rumpel- und Crashfahrten, zuerst ein Check des Autos fällig; außerdem sind ein paar
Kleinigkeiten zu machen (die Armaturenbeleuchtung ist ausgefallen, an einigen
Stellen rappelt es, das linke Seitenfenster vorne lässt sich nicht öffnen).
Gegen 14 Uhr bin ich damit fertig, soweit man es hier reparieren kann;
tatsächlich waren an der Vorderradaufhängung, den Stabilisatoren, am
Kardangestänge, der Allradzuschaltung Schrauben locker; gut dass nichts
passiert ist! - Am Nachmittag schlendern wir noch einmal durch diese schöne
Stadt, trinken einen, hier besonders gut schmeckenden Kaffee – innerhalb von
zwei Minuten kommen drei Schuhputzer vorbei -
und am Abend gehen wir – mal wieder – in eine der Musikkneipen, einer
Pena Folclórica.
Alles ist ähnlich wie bei diesem entsetzlichen
Gelärme am letzten Samstag; nur die Musik ist etwas besser und die Tänze
gefälliger. Gleichwohl, die Manie der aufgedrehten Lautsprecher in den Kneipen
verhunzt die Musikalität. Auch muss man sich an die vielen balladenhaften
Lieder mit ihrer süßlichen – für mich z.T. kitschigen - Musik, wo es meist um
Liebe und Leid geht, aber auch die Provinz, die Stadt wird besungen, erst
einmal gewöhnen. Die Argentinier allerdings applaudieren heftig. - Unmittelbar
neben diesem einen Musikschuppen ist schon der nächste, ja die Straße in diesem
Viertel ist eine Musikschuppenstraße, und auch die Querstraße ist voller Penas,
Kneipen und Straßencafes. Wo kommen bloß die vielen, vielen junge Leute her,
die sich hier vergnügen? Auch in Santiago gibt es solche Viertel, aber dieses
hier gefällt mir besser: mehr Musik und weniger kommerziell, mehr „normale“ und
besser angezogene vorwiegend junge Leute und auch viele schöne Menschen. Der
Menschenschlag im Nordwesten Argentiniens entspricht eher unserem
Schönheitsideal: mittelgroß und nicht dick, eher kleine, etwas ovale Köpfe,
schwarze Augen und schwarze Haare, braune Haut. Die indianische Herkunft ist
unverkennbar.
Samstag, 28. Februar 2004
Ich bleibe heute „zuhause“, um endlich einmal Zeit
zum Schreiben zu haben. Sigrid fährt die Quebrada de las Conchas in
Richtung Cafayate zurück, um die noch unbekannte Strecke zu sehen und die
überwältigenden Felsformationen und -farben zu fotografieren; Um 20 Uhr kommt
sie quietschvergnügt zurück. Abends konnten wir noch zu unserer großen Freude
und Überraschung unseren dritten Enkelsohn Raphael endlich, wenn auch nur per
eMail-Bilder, zu Gesicht bekommen.
Sonntag, 29. Februar 2004
Montag, 1. März 2004
Dienstag, 2. März 2004