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Deutsch Konfrontativ – Einführender Vortrag

UMCE, 20.03.06

(siehe auch unten "Anhang")

 

Liebe Kollegen!       

                                                       

Viel hat sich getan im Fremdsprachenunterricht, auch in DaF (Deutsch als Fremdsprache) in einer Generation. Von der grammatikalisierenden Übersetzungsmethode über die sogenannte direkten Methode des Asimil zum Patterndrill von Skinner, den vier Fertigkeiten von Fries und Lado – in Chile verbreitet u.a. in dem Buch der sehr verehrten Lidia Miquel hier am Pedagógico –

In der Erwachsenenbildung (Goethe-Institut, Universitäten) gab es endlich Schulz-Griesbach, dann Braun-Nieder-Schmöh, danach Deutsch 2000, usw.

An den Schulen arbeiteten wir mit „Vorwärts“, „Komm mit!“, „Miteinander“ von Biehler (dessen kluge Erschließungstechniken ich außerordentlich schätze!), usw.

 

Leitideen des heutigen Fremdsprachenunterrichtes sind: Kommunikation, lernerzentriertes, individualisiertes Unterrichten, Lernergrammatik, Lernen im Tandem, usw.

Dennoch wirken Lehrbücher mit kommunikativem Ansatz oft wie Pudding – die Progression scheint willkürlich und beliebig zu sein – es fehlt zumeist das Rückgrat einer Sprache, ihre Grammatik.

 

Die größte Schwäche aller mir bekannten Werken für DaF aber ist, dass sie die simple Weisheit kaum beherzigen, dass ein Fremdsprachenlerner das Neue nur lernen kann auf der Basis des Alten, ihm Vertrauten - nämlich seiner Muttersprache.

In Deutschland beginnt man das zu begreifen, jedenfalls die neuen Lehrbücher für Spanisch (ELE = Español como Lengua Extranjera) betonen jetzt stärker das Andersartige des Spanischen gegenüber dem Deutschen.

Ein moderner Fremdsprachenunterricht muss nicht nur lernerzentriert, kommunikativ-authentisch, er muss vor allem auch sprach-kontrastiv ausgerichtet sein.

 

Was heißt das?

Unsere Schüler und Studenten lernen eine fremde Sprache; also müssen sie fremde, neue Sprachzeichen lernen, in Phonetik,  Morphologie, Syntax, Lexik, Wortbildung, Text-Grammatik und Textsemantik, auch, wie man sich in einer bestimmten Situation sprachlich anders verhält als in der Muttersprache. (den sog. Sprachhandlungen oder Pragmatik). Kurzum andere Sprachzeichen, andere Regeln, andere Verhaltensweisen – mündlich und schriftlich - als in der spanischen Muttersprache.

Das schafft Probleme, weil die Lerner die fremden Sprachzeichen und Regeln zunächst genau so benutzen wie in ihrer Muttersprache. Und dieser negative Transfer in die Fremdsprache verursacht 50-60% der Sprach-Fehler. Man sagt auch, das vertraute Spanische interferiert mit dem Neuen, dem Deutschen, nicht nur im Anfangsunterricht – genauso im Fortgeschrittenenunterricht.

 

Was machen wir Lehrer also trotz bestem Willen falsch?

Wir tun so, als ob unsere Sprachschüler eine Art tabula rasa wären, ein weißes, unbeschriebenes Blatt, dem man die neue Sprache von Grund auf erklären muss und wundern uns dann, dass sie auch nach vielen Übungen immer noch die gleichen Fehler machen, selbst wenn sie wissen, das es falsch ist.

Die Muttersprache wird beim Fremdsprachenlernen immer dazwischen funken, stören, interferieren. Um so mehr, je weniger dem Lerner bewusst ist, was im Deutschen anders ist als im Spanischen.

 

Was tun wir dagegen, was müsste man dagegen tun?               

Jeder Lehrer versucht natürlich die Lernschwierigkeiten seiner Schüler zu reduzieren, viele kennt er ja. aber der Erfolg ist nicht groß, selbst wenn wir uns die Finger blutig korrigieren und den Mund fusselig reden. Sie machen es wieder und wieder falsch. -

Also sollten wir vor allem das Andersartige, das Neue dem Lerner bewusst machen und dieses Andersartige besonders üben. Dazu fehlen uns die medialen Hilfsmittel und es fehlt eine linguistische und didaktische Vorbildung in Fehlerkunde.

 

Unsere Lehrbücher helfen auch nicht. Sie sind für den internationalen Markt gemacht, aber nicht bilingual, für das Sprachenpaar Deutsch - Spanisch aufgebaut. Außerdem sind die Erklärungen viel zu linguistisch und zu wenig didaktisch formuliert. Das ist zwar gut für künftige Sprachlehrer (für sie sind linguistische Kenntnisse notwendig), aber schlecht für Lerner, die nicht Deutschlehrer werden wollen.

 

Bewusstmachen und Üben kostet mehr Zeit. Die können und müssen wir woanders einsparen, z.B.

1. brauchen wir nicht die kurzen deutschen Vokale, die auch das Spanischen hat, zu üben, sondern die langen deutschen Vokale und die deutschen Diphthongen. Wenn das nicht im Anfangsunterricht gründlich geübt wird  (- die Progression, die Zeit, die Examina, die Evaluation drängen!), werden sie ihr Leben lang keine gute deutsche Aussprache haben.

2. Die andersartig gebrauchten Schriftzeichen müssen ebenfalls besonder geüt werden. Dummerweise benutzen beide Sprachen fast das gleiche Alphabet, eine weitere Fehlerquelle! (Ich heiße nicht Jerd Otschlendér)

3. Natürlich müssen sie wie bisher die Formen für Sg. und Pl., die Zeiten für Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft, - Deklination und Konjugation also -, lernen, vor allem aber, wann das Genus, der Numerus, die Zeiten, usw. anders gebraucht werden als im Spanischen.

4. Der andersartige Satzbau (spanisch Kontaktstellung – deutsch Distanzstellung), die Satzobjekte die im Spanischen mit dem Complemento indirecto und im Deutschen mit dem Akkusativ, dem „Complemento directo", gehen und umgekehrt. Das muss geübt werden, nicht so sehr die „Gleichheiten“.

5. Dass auch im  Deutschen der Wortschatz durch Präfixe oder Derivationen erweitert wird, ist kein Themen, aber dass die Komposition mit Präfixen im Deutschen sehr viel systematischer und umfangreicher ist als im Spanischen, großen Einfluss auf die Satzbildung oder den Modus hat,  das ist neu und muss eigens gelernt werden.

6. Klar, die neuen, deutschen Wörter müssen gelehrt werden, aber auch ihre Restrinktionen, wo man sie nicht anwenden darf und wo sie nur teilweise übereinstimmen (falsos cognados oder falsos amigos).

7. Auch pragmatischen Strategien des Sagens, Fragens, Sich-Entschudigens, Befehlens, usw. sind häufig verschieden in beiden Sprachkulturen.

Mit einem Wort: unser Sprachunterricht müsste kontrastiv oder besser noch, konfrontativ angelegt sein.

 

Leider gibt es erst wenige Untersuchungen zum Sprachvergleich Spanisch- Deutsch. Und diese wenigen sind noch rein formal-linguistisch. Eine großartige Hilfe könnte das Werk „Kontrastive Grammatik Deutsch – Spanisch“  des Chilenen N. Cartagena und des Deutschen W.Gauger sein. Die Autoren arbeiten, reversibel D-S und S-D,  die Unterschiede und Gemeinsamkeiten heraus in vielen sprachlichen Subsystemen und an unendlich vielen Beispielen. Dennoch kann selbst diese Grammatik nur ein Hilfsmittel zur Identifizierung der Sprachfehler sein, der Lernprozess selbst ist sehr viel komplizierter als die formale Linguistik, sehr viel mehr Faktoren spielen eine Rolle, wie z.B. psychische Faktoren, Motivation, Begabung, Methodik,. Die Schüler haben beim Lernen oft ganz andere Schwierigkeiten, als man sie nach der Linguistik prognostizieren würde.

 

Die Lernschwierigkeiten unserer Schüler lassen sich heuristisch erfassen, indem man die Fehler im Lernprozess analysiert und interpretiert, dabei sind die Interferenzen mit der Muttersprache die Hauptfehlerquellen, ihr Anteil an den Gesamtfehlerquote liegt meist bei 50-60%. (Einen längeren Beitrag zur Fehlerlinguistik, ihrer Problematik und Methode finden Sie u.a. auf meiner Homepage unter dem Link: http://www.ghochlaender.de/Fehlerkunde.htm )

 

Wir haben diese guten Lehrbücher für DaF nicht und noch kaum gesicherte Erkenntnisse und Methoden aus der Fehlerlinguistik. Unsere Deutschlerner sprechen daher oft, wenn sie gut sind, „fließend falsch Deutsch“ und lernen das auch weiterhin so.

 

Als ein Gegenmittel habe ich im letzten Semester bei Ihnen, liebe Kolleginnen, mit einer kleinen Gruppe von Studenten gearbeitet, um wenigstens nachträglich in einer Art „Korrektur- und Reparaturkurs“  die Fehlerquote wesentlich zu reduzieren.

Den Kurs lief im Rahmen des Programms „Deutsch Konfrontativ“ und ich habe ihn betittelt „Aus den eigenen (Sprach-) Fehlern lernen“.

Die Erkenntnisse, die ich mit meinen Schülern dabei gewonnen habe, und die über das rein Persönliche hinausgehen, möchte ich an Sie weiter geben, damit Sie im Unterricht davon Gebrauch machen können. Wir haben einige Hauptlernschwierigkeiten durch Tests ermittelt, sie kontrastiv-linguistisch analysiert, d.h. bewusst gemacht und passende Übungen dazu entwickelt. Das war ein Anfang, mehr nicht. Sowohl Themen wie Übungen waren noch zu wenig kommunikativ eingebettet und vorwiegend schriftlich. In diesem, jetzt beginnenden Jahr wollte ich mehr mündlich mit den Studenten arbeiten.

Ehe ich Ihnen hier vorstelle, was wir gemacht haben. lassen Sie mich noch einen Schlussgedanken am Ende dieser Einführung in den Konfrontativen Sprachunterricht äußern:

 

 

Im Fremdsprachenunterricht interferieren ja nicht nur Sprachformen, sondern kulturell ver­schiedenartige Konzeptionen. Besonders deutlich sieht man das im Lexikon der beiden Sprachen,  die Interferenzen sind da fast immer kulturellen Interferenzen. Sprachen lehren heißt daher auch, ihre kulturelle Bedingtheiten und Unterschiede mitzuunterrichten. Fremdsprachenunterricht ist mehr als das Erwerben der richtigen, fremden Sprachzeichen, es ist oder sollte sein inter-kulturelles Lernen. Ein Fremdsprachenlehrer muss in beiden Kulturen zuhause sein. Spracharbeit ist immer auch Landeskunde.

Daher zum Schluss eine Erkenntnis des ungarischen Altmeisters im Sprachvergleich János Juhász: "Die Ähnlichkeiten und Unterschiedlichkeiten der Kulturen bedingen die Ähnlichkeiten und Unter­schiedlichkeit der Sprachen.“

 

Weiterführende Ergebnisse unter:

http://www.ghochlaender.de/Themen/lingdidaktik.htm

 

 

 


Anhang

 

Übungsbeispiele

- nach linguistischen Fehlerkategorien:-

 

 

1

2

3

4

5

6

7

Pragmatik  

       P

Lexik  

  L

Syntax   

 S

Morphosyntax   F oder Ms

Morphologie 

M

Orthografie      

O

Andere

A  

Sprachgebrauch und -strategie

Wortschatz

Satzbildung

Wortgruppe

Wort- oder Form­bildung

Rechtschreibung, Zeichensetzung, Auslassungen

z.B. unvollständig

*er fuhr nach Hause, *er ging weg (statt 'er ging zurück')

*er hat einen Zylinder (statt 'Hut' auf )

*er wird gegangen

*er fuhr nach dem Hause

*er ist gegeht,

*er is schöne man

(hier fehlt et­was)

Es war einmal ein alter Mann

Schritt zu Schritt

Als er am Ufer wieder war

Ohne sein Stock

Allen seinen Klei­der

 

 

 

 

 

 

Deutsch

Spanisch

richtig

falsch

richtig

Fehlerka­tegorie

1

 ?

X

pastor alemán, pasajero, comida para mascotas, profesional,

 

2

 ?

X

¿Porqué no me ayudas en esto?

 

3

 ?

X

¡Buenos días, Senor!, llegó (muy) tarde, ya son las nueve

 

4

Ferien, Kompromiss, Inversion, Sensation

X

 ?

 

5

Heimweh, gemütlich, Freund

 

X

 ?

 

6

 ?

- es hängt von uns (ab)

- er kommt (an) (= „llegar", nicht bei "venir")

 ?

 

7

 

er glitt und fast fiel er

 

 

8

 

- der Wind schlägt die Tür,

- die Schneiderin schneidet den Stoff

 

 

9

 

-  Zeit- seit,

- Gimnasium

 

 

10

 

Das Mädchen schmeckt mir, dieses Brot gefällt  mir

 

 

11

 

er hat gekommen

 

 

12

 

die Leute wartet

 

 

13

 

Guten Tag, wie geht’s?

 

 

14

 

*die Fräulein

 

 

15

 

Frauen wurden mit 60 Jahren pensioniert, aber Menschen mit 65

 

 

16

 

Er verlangte ihm das Geld

 

 

17

 

sie liebt sein (ihr) Kind,

 

 

18

 

5 Äpfeln, viele Leuten

 

 

19

 

er hat gekommen

 

 

20

 

dort ist gearbeitet

 

 

21

 

nachdem wir ihn einluden, gingen wir...,

 

 

22

 

- er war junge und große,

- die Suppe ist reiche

 

 

23

 

Ein_ Tag_ gingen wir,

 

 

24

 

züruck, Höchlander

 

 

25

 

July, Shuhe, Gimnasium

 

 

26

 

vohnen, die Frague

 

 

27

 

Volksvagon Diésel

 

 

28

 

Santiago gründete sich !541,

 

 

29

 

Waren Sie schon auf dem (Polizei) Präsidium sich anmelden?“ fragte unsere Schulsekretärin die neue spanischen Sprachassistentin, diese erbleichte. Warum wohl?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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